300 Jahre KI und IK: Immanuel Kant hat Geburtstag

In unseren Tagen ist KI in aller Munde. Natürlich assoziiert man zunächst Künstliche Intelligenz. Denken könnte man aber auch an das Naturprodukt, nämlich die natürliche Intelligenz. KI würde dann für Immanuel Kant – IK oder gewendet: KI –, aber auch für eine seiner faszinierenden Denkleistungen und damit für den kategorischen Imperativ stehen können: KI oder vielleicht kI.

Am 22.04.1724 wurde Kant im damaligen Königsberg geboren, sodass nunmehr sein 300. Geburtstag zu feiern ist. Das vielschichtige Werk des mehrdimensionalen (Vor-) Denkers und Aufklärungsphilosophen hat überdauert, sodass auch seine Person ins kollektive Gedächtnis des Globus geradezu eingestanzt ist. Das von ihm knackig formulierte Postulat „Sapere aude“ avancierte zu einem Emblem der Aufklärung. Sein abwechslungsreiches Werk beschäftigt bis heute. Die Kantischen Fragen zur möglichen Aufgabe von Philosophie sind nach wie vor aktuell: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?

Zu seiner Zeit nannte man Kant, dessen Vorlesungen neben seinen Schriften ebenfalls großen Anklang fanden, den „eleganten Magister“. Nietzsche verehrte ihn als „Mandarin“ von Königsberg. Sein kritisches Potential zeigte sich freilich früh. Getauft wurde er mit Blick auf den Kalendertag nämlich als „Emanuel“. Dies änderte Kant in „Immanuel“ (Gott ist mit ihm), weil dies seiner Auffassung nach die korrekte Übersetzung aus dem Hebräischen darstellte. Seinen Vornamen mochte er wegen des darin liegenden Optimismus und war zeitlebens stolz darauf.

Der bereits erwähnte kategorische Imperativ findet sich in der 1797 erschienen Publikation „Die Metaphysik der Sitten“. Entworfen wird darin auf philosophisch-ethischer Basis eine Rechts- und Tugendlehre. Der „kI“ bildet im Bereich der Tugendlehre das oberste Prinzip:

"Handele nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde."

Der „KI“ beschäftigt nach wie vor hauptsächlich die Strafrechtler unter den Juristen. Denn staatliche Strafe, deren Wesen zu beschreiben ist, bedarf der Rechtfertigung und vor Allem einem Zweck bzw. einem Sinn. Mit dem Sinn und Zweck von Strafe befassen sich bekanntermaßen die Straftheorien. Hier konkurrieren absolute und relative Theorien; auch in Mischformen und Spielarten. In den Bereich der absoluten Straftheorien werden Kant und Hegel gewissermaßen einsortiert. Strafe ist demnach ausschließlich ein Gebot der Gerechtigkeit, mithin ein von allen Zweckerwägungen freier kategorischer Imperativ. Denn es geht alleine um Vergeltung:

"Richterliche Strafe (…) muß jederzeit nur darum wider ihn verhängt werden, weil er verbrochen hat."

Deutlich exemplifiziert wird dies im berühmten sog. Inselbeispiel, in welchem jeder präventive Zweck von Strafe verneint ist:

"Selbst, wenn sich die bürgerliche Gesellschaft mit aller Glieder Einstimmung auflösete (z.B. das eine Insel bewohnende Volk beschlösse, auseinanderzugehen und sich in alle Welt zu zerstreuen), müßte der letzte im Gefängnis befindliche Mörder vorher hingerichtet werden, damit jedermann das widerfahre, was seine Taten wert sind (…)"

Dass eine solch rigide Position Kritik erfahren hat und erfährt, bedarf keiner Hervorhebung. Es ist wohl im Kern die Kälte gegenüber dem menschlichen Individuum, die der Intention einer absoluten Verwirklichung von Tugend innewohnt. Für ungerecht wird man hingegen die Konstruktion von Strafe als Gebot der Gerechtigkeit ohne weitere Zweckbestimmung nicht ansehen dürfen. Kant ist also weiterhin modern. Zumindest kann man sich an seinen Überlegungen reiben und rubbeln.

Von besonderer Aktualität mit Blick auf das Zeitalter von Fake News ist Kants Aufsatz „Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen“, der aus dem gleichen Jahr stammt wie „Die Metaphysik der Sitten“. Darin argumentierte Kant vor dem Hintergrund einer Kontroverse über die Wahrheitspflicht, dass eine Lüge immer jemanden schade; wenn nicht einer Einzelperson, doch dann der Menschheit insgesamt. Denn:

"Es ist (…) ein heiliges unbedingt gebietendes, durch keine Konvenienzen einzuschränkendes Vernunftgebot: in allen Erklärungen wahrhaft zu sein."

Konsequenz hieraus ist, dass derjenige, der für die Wahrheit spricht, für Folgen hieraus nicht verantwortlich ist. Demgegenüber ist derjenige, der lügt, für sämtliche Folgen seiner Unwahrheit verantwortlich. Aktuelle Bezüge lassen sich ohne weiteres herstellen. Alle Demokratiefeinde, die aus politischem Kalkül mit der Wahrheit spielen, sollten gewarnt sein. Aber nicht nur die.

Dass den bisherigen 300 Jahren mindestens weitere 300 Jahre folgen werden, an denen an Kant zu erinnern ist, erscheint wahrscheinlich. Dass Kant – in einer neueren Biografie als autonomer, selbstsicherer und selbstgeschaffener Charakter beschrieben – mit seiner Ideenwelt vergessen werden könnte, ist mehr als unwahrscheinlich.

Ein weitere Beitrag zu diesem Thema ist in der Juris Monatszeitschrift (jM) abgedruckt.

Kant Bild von Heike Mathis

Prof. Dr. Guido Britz

Rechtsanwalt
Strafrecht
Strafprozessrecht

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