Beleidigung durch „Hundekot-Attacke“ (?): zugleich ein Beitrag zur Dackel Mania

In diesen nicht nur närrischen Tagen ist wieder verstärkt die Rede vom gerne unterschätzten, aber zuweilen auch nicht sehr geschätzten Dackel. Zu Recht oder zu Unrecht muss zum Glück jedenfalls an dieser Stelle nicht abschließend entschieden werden. Zur aktuellen Dackel Mania vornehmlich in den Feuilletons aller maßgeblichen Gazetten kam es durch eine missbräuchliche, ausschließlich menschengemachte Verwendung von tierischen Ausscheidungen. Ebenso kurz wie pointiert formuliert: Ein Sch… Anlass, um über Dackel im Allgemeinen und den einen im Besonderen sowie das Strafrecht zu sprechen!

Was ist geschehen?: Im Hannoveraner Opernhaus trafen bei einer Premiere am 11.02.2023 der renommierte Ballettdirektor Marco Goecke und die erfahrene Ballettkritikerin Wiebke Hüster in einer Pause zunächst aufeinander. Sogleich gerieten sie aber auch wegen einer gleichen Tags publizierten, durchaus vernichtenden Kritik von Hüster aneinander. Im Disput wurde die Kritikerin vom geschmähten Künstler mit Hundekot im Gesicht beschmiert. Der als „Hundekot-Attacke“ bezeichnete geschmacklose bis widerliche Vorgang war in eine sensible Welt voller unterschiedlicher Seismografen hineingeboren. Über ein öffentlich abrufbares Video (NDR) versuchte Goecke, sich in einem Akt der Schuldumkehr zu rechtfertigen, indem er die Strafe mit dem Naturprodukt als unausweichlich zu begründen versuchte. Die Beschmierte säuberte sich indessen unmittelbar nach dem Angriff im Waschraum der Intendanz des Theaters, um hernach bei der Polizeiwache Hannover-Mitte Anzeige zu erstatten. Die FAZ, für welche die Journalistin unter anderem arbeitet, brachte sich auf Seite 1 des Feuilletons tribunalisierend zugunsten ihrer Beschäftigten in Stellung.

Die Fragen, die sich bei den ersten Meldungen über die „Hundekot-Attacke“ herandrängten, waren einfach wie praktisch. Aus welchem Grund trägt ein Ballettchef bei einer Premiere Hundekacke im Tütchen bei sich? War die schändliche Tat etwa von langer Hand geplant? An dieser Stelle kommt Gustav ungewollt ins Spiel. Er ist nämlich der Dackel des zumindest tier-, weniger Kulturkritiken von Fr. Hüster liebenden Hr. Goecke. Gustav soll sein Herrchen nämlich in einer Tasche sitzend stets begleiten und auf diese Weise schon die Bekanntschaft von Karl Lagerfeld und Prinzessin Caroline von Monaco gemacht haben. Auch am Tatabend war der weltgewandte Gustav deshalb zugegen. Er musste freilich ganz profan „mal müssen“, sodass der korrekt um Beseitigung und Entsorgung der „Tretmine“ bemühte Hr. Goecke die Hinterlassenschaft wohl noch bei sich hütete, als die Kontroverse begann. In deren Dynamik liegt der sicherlich alles andere als fernliegende, vielleicht sogar als mosaische Vergeltung gedachte Einsatz des ekligen Inhalts des Tütchens. Gustav als Lieferant, jedoch unvorsätzlicher Gehilfe schweigt – vornehm (?) – zu dem Vorkommnis, wie BILD zu melden wusste.

Bevor die strafrechtliche Dimension des Vorgangs sondiert werden soll, sind zwei keinesfalls notwendige, aber trotzdem aufschlussreiche Exkurse zu machen. Zunächst handelt es sich um einen Ausflug in die literarisch wie biologisch wertvolle Welt der Tierleben von Prof. Brehm. Am wohl schlechtesten – und das hat mit dem Thema gar nichts zu tun, ist gleichwohl aber interessant – kommt der Maulwurf als übler Bursche in den Beschreibungen weg:

Schon aus dem bis jetzt Mitgeteilten ist hervorgegangen, daß der Maulwurf im Verhältnis zu seiner Größe ein wahrhaft furchtbares Raubtier ist. Dem entsprechen seine geistigen Fähigkeiten. Er ist wild, außerordentlich wüthend, blutdürstig, grausam und rachsüchtig, und lebt eigentlich mit keinem einzigen Geschöpfe im Frieden, außer mit seinem Weibchen, mit diesem aber auch bloß während der Paarungszeit, und so lange die Jungen klein sind.

Nicht weit von diesem Finsterling kann der Dackel verortet werden:

Sie zählen jedenfalls zu den eigentümlichsten und merkwürdigsten aller Hunde. (…) Man ist darüber vollkommen im Unklaren, woher der Dachshund stammt (…) Sie sind klug, gelehrig, treu, munter und angenehm, wachsam und vom Fremden schwer zu Freunden zu gewinnen, leider aber auch listig und diebisch, im Alter ernst, mürrisch, bissig und oft tückisch: sie knurren und fletschen die Zähne sogar gegen den eigenen Herrn.

In einem zweiten Exkurs ist dran zu erinnern, dass das Verhältnis von Kultur- und Kunstschaffenden einerseits und emanzipierter Kritik andererseits seit jeher als angespannt beschrieben werden kann; einschließlich von gewaltigen Ausschlägen auf dem Geigerzähler. Zu erinnern ist exemplarisch an den Roman „Tod eines Kritikers“ von Martin Walser, der im Jahre 2002 publiziert wurde, der aber bereits vor seinem Erscheinen zu einem der größten Literaturskandale der letzten Jahrzehnte avancierte. Der Schriftsteller rechnete mit seinem langjährigen Kritiker Marcel Reich-Ranicki – mit deutlicher Beleidigungsintention – harsch ab. Das Getöse im Blätterwald und auf dessen Lichtungen war enorm: der Kritiker eine wirkmächtige Person im Literaturbetrieb mit eigener TV-Sendung hier, da der anerkannte, aber oftmals unbequeme Schriftsteller; zuweilen als zänkisches, altes Ehepaar im Dauertwist beschrieben. Das Buch wurde thematisch als „Mord an einem Juden“ und als antisemitisch desavouiert. Die Rede war mit Blick auf das Vorgehen der FAZ von einem journalistischen Erstschlag, da diese elementare Anstandsregeln als verletzt reklamierte. Über die Veröffentlichung des Romans und zuvor notwendige Änderungen wurde gestritten. Das Werk polarisiert bis heute. Denn der Schriftsteller lässt den literarisch nur mäßig getarnten Kritiker eines gewaltsamen Todes sterben. Es wird offenbar, dass im Haifischbecken des Kulturbetriebs der Instrumentenkasten fürs Gegen- und Übereinander nicht nur mit Fäkalien, sondern auch mit Mord und Totschlag bestückt ist.

Der Kulturbetrieb ist freilich keine rechtsfreie Zone. Mithin ist der Frage nachzugehen, welche strafrechtlichen Verantwortlichkeiten Hr. Goecke infolge seiner „Hundekot-Attacke“ treffen können. In materiell-rechtlicher Hinsicht geht es um die Straftatbestände der Körperverletzung sowie der Beleidigung.

Die Körperverletzung (§ 223 StGB) hat eine körperliche Misshandlung oder eine Gesundheitsbeschädigung an einer anderen Person zur Voraussetzung; und zwar mit Vorsatz. Das willentliche und wissentliche Beschmieren des Gesichts eines Gegenüber mit Hundekot müsste demzufolge entweder die körperliche Unversehrtheit oder die Gesundheit der anderen Person beeinträchtigt haben. Eine nicht nur unerhebliche Verletzung des körperlichen Wohlbefindens bzw. der körperlichen Unversehrtheit liegen indessen nicht vor, wenn (lediglich) Ekel – beispielsweise durch Anspucken – oder Angst erzeugt werden. Auch führen psychische Einwirkungen, welche lediglich das seelische Wohlbefinden tangieren, grundsätzlich nicht zur Verwirklichung des Straftatbestandes. Der Annahme einer Körperverletzung sind demnach erhebliche Hürden gesetzt.

Die Beleidigung (§ 185 StGB) setzt einen vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch die Kundgabe von Miss- oder Nichtachtung voraus. Dies kann durch Äußerungen, aber auch durch Tätlichkeiten geschehen. Zur tätlichen Beleidigung werden gezählt: Bewerfen mit Eiern oder Tomaten, Anspucken, Abschneiden der Haare, aber auch das Beschmutzen mit Fäkalien. Denn durch die auf den Körper gerichtete Einwirkung wird dezidiert Nicht- bzw. Missachtung zum Ausdruck gebracht. Vor diesem Hintergrund ist evident, dass die „Hundekot-Attacke“ unmittelbar in die Beleidigungsstrafbarkeit führt; zumal Hr. Goecke im Disput sicherlich mit Absicht handelte.

Allerdings führt eine Strafbarkeit nicht direkt in einen Strafprozess. Denn die zuständige Staatsanwaltschaft hat verschiedene Möglichkeiten der Entscheidung nach Abschluss der Ermittlungen. Neben Einstellungen nach den Vorschriften der §§ 153 ff. StPO – vor allem gegen Zahlung einer Geldauflage nach § 153a StPO – ist bei Beleidigungsdelikten die spezifische Option vorhanden, auf den Privatklageweg zu verweisen. In einer Kommentierung zur zentralen Vorschrift des § 374 StPO ist hierzu zu lesen:

Die StA erhebt bei den Privatklagedelikten (…) Anklage nur, wenn ein öffentliches Interesse (§ 376 StPO) vorliegt. (…) Ansonsten rückt der Privatkläger in die Parteistellung und Antragsrechte des Staatsanwalts…

Die „Hundekot-Attacke“ ist deshalb noch lange nicht vorm Strafgericht. Verschiedene Voraussetzungen sind erst zu klären. Insbesondere wird die zuständige Staatsanwaltschaft zu entscheiden haben, ob sie sich in den Streit einmischen soll oder muss, oder ob es besser ist, den Beteiligten ihren Streit zurückzugeben.

Festzuhalten ist unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung aber, dass das inkriminierte Verhalten wegen des medialen Interesses zur Bekanntheit der Beteiligten beizutragen vermochte. Auch der unschuldige Gustav mit seiner natürlichen Hinterlassenschaft ist in den Mahlstrom geraten. Denn maulwurfige Kritik provozierte eine dackelartige Reaktion.

Das Thema „Hundekot-Attacke“ ist natürlich ganzheitlich anzugehen. Illustration, Dichtung und Juristerei widmen sich vorliegend der Sache. Neben Heike Mathis (Illustration) hat sich Diana Kühner-Mert (Dichtung) der Sache angenommen. Beiden Damen ist an dieser Stelle ausdrücklich zu danken.

Rache

Wohl nie zuvor war mal ein Hund
so bitter traurig, im Herzen wund.
Denn Gustav, von Natur aus reinlich,
dem ist der ganze Vorgang peinlich.

Der Dackel stammt aus besten Kreisen,
durft‘ einst mit Caroline speisen.
Kristallglas, Meißner Porzellan,
solch Luxus hat’s ihm angetan.

Der ganze Tand, das Gold und Glitzer,
das mochte auch Gustavs Besitzer.
Er war ein Künstler, verliebt nur in sich.
Dazu cholerisch – ein giftig‘ Gemisch.

Einst kam es, dass Gustav sein Abendbrot,
die Reste vom Chappi auf dem Gehweg entlud.
Sein Herrchen nimmt die Notdurft mit
in einem Beutel für Hundeshit.

So gingen sie zu Gustavs Qual
zur Tanzvorstellung in einen Saal.
Die Tänzer, groß, schlank und geschmeidig,
sie machten Dackel Gustav neidisch.

Er hasste sie, ganz insgeheim
und schämt‘ sich für sein Stummelbein.
Deshalb war’s ihm ne inn’re Fete
als eine Sachverständ’ge schmähte

Die Choereo von seinem Herrn.
Doch der war tief in seinem Kern
derart erschüttert,
dass er zittert.

Und draußen im Foyer zur Pause
in seinem angestammten Hause,
als er die Unglückliche erschielt,
die ihm so übel mitgespielt,

da greift er, erfüllt von Rachedurst
in seine Tasche mit Gustavs Wurst.
Beginnt, der Hund kann’s nicht begreifen,
das Antlitz der Dame einzuseifen.

Gustav jault, doch nützt es nicht.
Sein Kot im entsetzten Angesicht.
Das ist zu viel, der Dackel kläfft
ob dieses Missbrauchs von seinem Geschäft.

Gustav wird rot, vor Scham ganz krank.
Der Raum ist erfüllt vom üblen Gestank.
Sein Kot – nun Thema in jedem Blatt.
Den Goecke, sein Herrchen, hat Gustav satt.

Der Vorfall quält den Hund so tief,
dass er, als Goecke friedlich schlief,
zu dessen edlen Schuhen geht,
kurz unentschlossen noch da steht

Doch dann, vom Vorfall inspiriert,
den Dackelpo exakt platziert.
Gustav, gelöst nun, in aller Ruh,
kackt dem Choleriker in den Schuh.

Dann legt friedlich sich zum Schlafe,
schnarcht leise, zählt noch ein zwei Schafe.
Es herrscht, das wurde höchste Zeit
durch Kot im Schuh Gerechtigkeit.

Hundekot

Prof. Dr. Guido Britz

Rechtsanwalt
Strafrecht
Strafprozessrecht

Kontakt