Corona Bußgelder: Das Entschließungsermessen der kontrollierenden Beamten

09.04.2020, Ingo Witte

Zu der Rechtsverordnung, die die im Saarland geltenden Ausgangsbeschränkungen regelt, wurde mittlerweile ein Bußgeldkatalog erlassen, der teils empfindliche Geldbußen vorsieht. Gleichzeitig ist die Rechtsverordnung in einigen Punkten relativ unbestimmt formuliert. So lässt beispielsweise der Begriff „triftiger Grund“ für das Verlassen der Wohnung einigen Spielraum, auch wenn der Begriff in der Rechtsverordnung durch Beispiele verdeutlicht werden soll.

Mancher, der sich nicht sicher ist, ob sein Handeln nun schon gegen die Ausgangsbeschränkungen verstößt oder noch zulässig ist, fragt sich, ob er für den Fall einer Fehleinschätzung zwangsläufig mit einem Bußgeld rechnen muss.

Hier kommt ein wesentlicher Unterschied des Bußgeldrechtes zum Strafrecht ins Spiel. Bei Vorliegen einer Straftat müssen die Behörden tätig werden und ein Verfahren einleiten. Bei der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit steht es dagegen im Ermessen der Behörden und damit auch des einzelnen Beamten, ob er ein Verfahren einleitet oder nicht. Dies wird Entschließungsermessen genannt. Hintergrund ist, dass Ordnungswidrigkeiten nicht den gleichen schwerwiegenden Unrechtsgehalt wie Straftaten haben und den Beamten die Möglichkeit gegeben werden soll, aus Gründen der Praktikabilität von einer Verfolgung abzusehen. So ist die Polizei beispielsweise nicht rechtlich verpflichtet, bei einem Volksfest, bei dem mehrere Hunderte Autos teilweise auf Gehwegen geparkt sind, gegen jeden einzelnen Autofahrer ein Verfahren einleiten zu müssen. Ausnahmen liegen nur dann vor, wenn eine Untätigkeit der Beamten eine unmittelbare Gefahr für bedeutende Rechtsgüter verursachen würde, ein Tätigwerden also als zwingend notwendig angesehen werden muss.

Dies bedeutet bei Verletzungen der Ausgangsbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie, dass die Beamten bei der gleichen Art eines Verstoßes, in einem Fall von einem Bußgeld absehen dürfen, weil sie den Eindruck haben, dass der Betroffene Sinn und Zweck der Beschränkungen verstanden hat und sich auch bemüht, diese einzuhalten, in einem anderen Fall aber ein Bußgeld verhängen dürfen, wenn sie den Eindruck haben, dass der Betroffene vollkommen uneinsichtig ist. Die Beamten dürfen also alle Umstände des jeweiligen Falles in ihre Entscheidung einbeziehen.

Begrenzt wird dieses Ermessen allerdings durch das Willkürverbot, wonach bei gleichen Gesamtumständen nicht nach bloßen Gutdünken unterschiedliche Entscheidungen getroffen werden dürfen.

Damit soll den Beamten die nötige Flexibilität in der Handhabung des Ordnungswidrigkeitenrechts gegeben werden, da dessen Hauptziel weniger die Bestrafung von Übertretungen, sondern vielmehr ein gedeihliches Miteinander in der Gesellschaft ist. Ermöglicht werden soll damit das oft genannte „Handeln mit Augenmaß“.

Ein Anspruch darauf, bei einem Verstoß nicht mit einem Bußgeld belegt zu werden, besteht jedoch nicht. Die Entscheidung liegt allein im Ermessen der jeweiligen Beamten. Auch dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt, soll hier der Vollständigkeit halber noch einmal erwähnt werden, sowie, dass manche Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz Straftaten darstellen, die zwingend die Eröffnung eines Strafverfahrens nach sich ziehen.

Ingo Witte

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht
ADAC Vertragsanwalt

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