Soldateneh(r)e: Justitia und die Ehe

Ersichtlich um Originalität bemüht titulierte die FAZ am 14.06.2025: „Eine Frage der Ehe“. Was war geschehen, dass der hochkarätig besetzte Film aus dem Jahre 1992 wortspielerisch zitiert werden musste?: Mit einem Urteil des Truppendienstgerichts Süd vom 06.03.2024 (Aktenzeichen: S 2 VL 21/23) hatte sich der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer Berufung zu befassen und durch Urteil vom 22. Januar 2025 (BVerwG 2 WD 14.24) abgeschlossen.

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 44/2025 vom 13.06.2025 ist als appetitanregendes mise en bouche für die insofern gierig-empfänglichen Medien überschrieben mit „Soldaten und Ehebruch“. Denn sex sells bekanntermaßen; zumal eine interessante Mischung an- und dargeboten scheint. Zum schnöden Sachverhalt ist Folgendes zu lesen:

  • "Dem Urteil lag der Fall eines Hauptfeldwebels zu Grunde, der mit der Ehefrau eines befreundeten Mannschaftssoldaten desselben Bataillons ein Verhältnis angefangen und mit ihr in der ehelichen Wohnung Geschlechtsverkehr hatte, kurz nachdem ihr Ehemann in vorläufiger Trennungsabsicht ausgezogen war. Der Hauptfeldwebel beendete die Beziehung wenige Wochen später. Die Ehe des Mannschaftssoldaten scheiterte."

Die grundsätzlich zunächst im Privat- bzw. sogar Intimbereich zu verortende Liaison zweier erwachsener Menschen veranlasste den Dienstherrn zur strafenden Intervention. Das Truppendienstgericht reagierte mit einem Beförderungsverbot und einer Reduzierung der Dienstbezüge. Eine Verletzung der Kameradschaftspflicht wurde nämlich seitens des Gerichts ausgemacht.

In der Tat ist in der Vorschrift von § 12 SG (Soldatengesetz), die mit „Kameradschaft“ überschrieben ist, folgendes zu lesen:

  • "Der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen. Dies schließt gegenseitige Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen ein."

Die damit durch Normbefehl verpflichtend eingeführte Achtung sowie gegenseitige Unterstützung einschließlich Respekt und Toleranz sind wegen ihrer notwendigen Abstraktheit konkretisierungsbedürftig. Der 2. Wehrdienstsenat des BVerwG präzisiert wie folgt:

  • "Der vom Gesetz geforderte Respekt vor den Rechten des Kameraden wird bei der Beteiligung an dem Ehebruch nicht gewahrt."

Denn:

  • "Die Ehe von zwei Personen (…) ist nach § 1353 BGB eine auf Lebenszeit geschlossene Gemeinschaft, die mit dem wechselseitigen Anspruch auf eheliche Treue verbunden ist. Der Gesetzgeber hat mit der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft an diesem Ehebild festgehalten und die eheliche Treue als Wesensmerkmal der Ehe bezeichnet (…)."

Konsequenz:

  • "Die Missachtung der Ehe kann ebenso wie die Verletzung anderer Rechte des Kameraden das alltägliche Leben in der militärischen Gemeinschaft massiv belasten und die Bereitschaft, in Krisensituationen füreinander einzustehen, gefährden. Kaum ein anderes Verhalten zum Nachteil eines Kameraden ist stärker geeignet, Spannungen, Unruhe und Misstrauen nicht nur zwischen den Beteiligten, sondern in der Truppe allgemein auszulösen und damit den Zusammenhalt der Soldaten untereinander zu stören."

Daher:

  • "Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ist gerechtfertigt, weil die Beteiligung am Ehebruch eine Missachtung eines Kameradenrechts im Sinne des § 12 SG ist und regelmäßig negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb hat."

Die verwaltungsgerichtliche Würdigung des skizzierten Sachverhalts erscheint durchaus vormodern und lässt mithin Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit aufkommen. Zu einer liberal-grundrechtlichen Klärung würde sicherlich beitragen können, wenn nunmehr das Bundesverfassungsgericht mit der bislang dienstrechtlich als „liaison dangereuse“ zu bezeichnenden Angelegenheit befasst würde.

Dass Justitia Schwierigkeiten hat, Fragen von Sitte und Moral im Verhältnis zu Recht und Gesetz auszutarieren, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Denn im Rahmen der Prüfung, ob es als Kuppelei strafbar ist, wenn eine Mutter ihrer erwachsenen Tochter erlaubt, mit ihrem zunächst noch verheirateten Lebensgefährten in einem Zimmer zu schlafen, führte der Große Senat für Strafsachen 1954 aus:

  • "Nun kann es aber nicht zweifelhaft sein, daß die Gebote, die das Zusammenleben der Geschlechter und ihre geschlechtlichen Beziehungen grundlegend ordnen und die dadurch zugleich die gesollte Ordnung der Ehe und der Familie (…) festlegen und verbürgen, Normen des Sittengesetzes sind und nicht bloße dem wechselnden Belieben wechselnder Gruppen ausgelieferte Konventionalregeln."

Und:

  • "Die sittliche Ordnung will, daß sich der Verkehr der Geschlechter grundsätzlich in der Einehe vollziehe (…)."

Konsequenz:

  • "Indem das Sittengesetz dem Menschen die Einehe und die Familie als verbindliche Lebensform gesetzt und indem es diese Ordnung als verbindliche Lebensform gesetzt und indem es diese Ordnung auch zur Grundlage des Lebens aller Völker und Staaten gemacht hat, spricht es zugleich aus, dass sich der Verkehr der Geschlechter grundsätzlich nur in der Ehe vollziehen soll und daß der Verstoß dagegen ein elementares Gebot geschlechtlicher Zucht verletzt."

Die mehr als 70 Jahre zurückliegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs dient nach wie vor als Exempel in der Rechtsphilosophie. Freilich scheint eine angestaubte absolut-verehrende Akzentuierung der Ehe als solcher mit gravierenden außerehelichen Folgen auch das aktuelle Urteil eines höchsten Gerichts wohl nicht unbeeindruckt zu lassen. Indessen ist die Gewandung eine andere. Es geht nämlich nicht primär um die Ehe, sodass der Fall entgegen der FAZ keine „Frage der Ehe“ ist. Zentral soll nämlich die Kameradschaft sein, zu welcher die Soldaten gesetzlich verpflichtet werden. Freilich sind die Judikate nicht ohne eine Überhöhung des Instituts der Ehe denkbar; weshalb die FAZ mit der zitierten Headline vielleicht doch richtig lag.

Eine Kritik an der bislang nicht publizierten Entscheidung des BVerwG kann an verschiedenen Stellen ansetzen. Eine erste Frage wäre, ob das zu beurteilende Ereignis konkret überhaupt zwischen den beteiligten Soldaten einerseits und in der Einheit, in der beide ihren Dienst verrichteten, andererseits zu greifbaren Spannungen, Unruhen oder Misstrauen geführt hat. Gleiches gilt für die Frage, ob und – wenn ja – inwiefern nachteilige Auswirkungen (ggfls. welche?) auf den Dienstbetrieb drohten. Übergreifend könnte der Frage nachgegangen werden, ob eine Beziehung zu einer (noch) verheirateten Ehefrau eines anderen Soldaten überhaupt das Moralempfinden in der Truppe relevant tangiert. Immerhin verabschiedete das Informations-Bataillon 381 medienwirksam 2020 eine „Trans-Kommandeurin“ mit einem als Einhorn umgebauten Einsatzwagen. Ob dies vor Jahren möglich gewesen wäre, oder ob nicht vielmehr das Disziplinarrecht dazwischen gegrätscht hätte, bildet durch die unterschiedliche Beantwortung der Frage eine Änderung in moralischen Anschauungen ab.

Des Weiteren ist aus rechtlicher Sicht zu berücksichtigen, dass beide Partner der außerehelichen Beziehung grundrechtlich verbürgte Freiheiten für sich reklamieren können. Abgesehen von dem Befund, dass die Frau und deren Perspektive in der Entscheidung überhaupt keine Rolle zu spielen scheint. Ferner kommt hinzu, dass § 12 SG im Rahmen der Kameradschaft lediglich dazu verpflichtet, die Ehre und die Rechte des anderen Soldaten zu achten; einschließlich einer Beistandspflicht in kritischen Situationen. In Frageform: Zählt es zur Ehre des anderen Soldaten, dass seine bereits getrennt lebende (Noch-) Ehefrau gewissermaßen sakrosankt ist? Inwiefern wird in Rechte des anderen Soldaten unter Abwägungen aller sonstigen rechtlich relevanten Interessen der beteiligten Personen bei dieser Konstellation überhaupt eingegriffen? Und: Ist die Frau nur „(Tausch-) Objekt“?

Im Gesamtzusammenhang verbietet sich mit Blick auf die Rechtsnorm des § 12 SG und die Interpretation ihrer Tatbestandsmerkmale jegliches Moralisieren, erst Recht einseitiges. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob der ansonsten keinesfalls griffige Ehrbegriff in der Norm § 12 SG weiterhin einen Platz haben kann.

Illustration von Heike Mathis

Prof. Dr. Guido Britz

Rechtsanwalt
Strafrecht
Strafprozessrecht

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