Fake News und Strafrecht

Zum „Unwort des Jahres 2017“ wurde der Ausdruck „Alternative Fakten“ gewählt. Die zuständige Jury aus Sprachwissenschaftlern begründete dies unter anderem damit, dass man prophylaktisch wirken wolle. Es habe sich nämlich auch in Deutschland die Praxis verbreitet, mit nicht belegbaren oder unzutreffenden (Tatsachen-) Aussagen zu argumentieren und zu diskutieren.

Es geht also primär darum, ein Signal zu setzen. Denn Lügen – so das hergebrachte deutsche Wort für bewusste Unwahrheiten – sollen nicht salonfähig werden. Müßig zu erwähnen, dass es sich bei der Begrifflichkeit „Alternative Fakten“ um ein Importprodukt aus den USA handelt. Die Kreation stammt wohl von Fr. Conway, einer Beraterin Trumps.

Nicht oder nur teilweise der Wahrheit entsprechende Nachrichten werden mithin in der Welt der nahezu ungefilterten sozialen Medien platziert. Sie verunstalten die Realität, führen zu Irritationen, sind Mittel von Manipulationen und gefährden das gesellschaftliche Miteinander bzw. das gesellschaftliche oder staatliche Funktionieren. Es ließe sich daher auch von einem schleichenden Gift sprechen. Indessen handelt es sich keineswegs um ein neues Phänomen. Historische Beispiele finden sich zuhauf. Ebenso neu und gefährlich ist indessen die Koppelung einer Lüge mit den unbegrenzten Verbreitungsmöglichkeiten des Internet.

Da von Fake News durchaus unmittelbar Gefahren in unterschiedlicher Qualität für das gesellschaftliche Miteinander, den Prozess politischer Meinungsbildung, für nationale wie internationale staatliche oder private Institutionen und schließlich für betroffene Einzelpersonen ausgehen, erhebt sich die Frage nach der Bedeutung des Strafrechts als Schutzinstrument. Neuere wissenschaftliche Publikationen nehmen sich daher dem Thema verstärkt an (vgl. etwa: Hoven, Zur Strafbarkeit von Fake News – de lege lata und de lege ferenda, in: ZStW 2017, 718 ff.; Ceffinato, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Internetplattformbetreibern, in: JuS 2017, 403 ff.).

In der Debatte lassen sich unterschiedliche Ebenen und Perspektiven ausmachen. Zunächst geht es um das zurzeit geltende Recht mit der Frage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit desjenigen, der aktiv Fake News produziert und auch verbreitet. Sodann werden diejenigen fokussiert, welche die Internetplattformen zur Verfügung stellen und damit erst die fast nicht zu begrenzenden Möglichkeiten eröffnen. Schließlich erhebt sich die Frage, ob und inwiefern im Strafrecht Änderungen erfolgen müssen, um die Gefahren von Fake News wirksamer einzudämmen.

Beim aktiven Verbreiten von Fake News kommen zunächst die individualschützenden Beleidigungsdelikte nach §§ 185 ff. StGB und insbesondere die üble Nachrede (§ 186 StGB) sowie die Verleumdung (§ 187 StGB) in Betracht. Letztgenannte Straftatbestände knüpfen nämlich gerade an unwahre Tatsachenbehauptungen tatbestandlich an. Zudem setzen die Strafnormen bezüglich der unzutreffenden Tatsachenbehauptung weiterhin voraus, dass die Falschbehauptung geeignet ist, Einzelpersonen als solche oder auch – in bestimmtem Umfang – als Teile von Kollektiven sowie Kollektive als solche verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen; teilweise geht es auch um Kreditgefährdung (§ 187 StGB). Handelt es sich beim Tatopfer darüber hinaus um eine Person des politischen Lebens, greift zusätzlich die qualifizierende Vorschrift des § 188 StGB ein, die in der Vergangenheit eher ein Schattendasein führte, nunmehr aber an Bedeutung gewinnen könnte. In Fällen von gravierenden Falschbehauptungen bzw. -meldungen kann des Weiteren grundsätzlich eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1, 2 StGB gegeben sein. Denn die Strafnorm des § 130 StGB schützt den öffentlichen Frieden unter den Gesichtspunkten der Aufstachelung zum Hass oder der Verletzung der Menschenwürde. Sind demnach die Fake News unter den näheren Voraussetzungen des § 130 StGB geeignet, konkret oder abstrakt den öffentlichen Frieden zu beeinträchtigen, ist ein Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren eröffnet. Richtet sich die Tat spezifisch gegen ein religiöses oder weltanschauliches Bekenntnis, kann neben oder statt der Strafnorm des § 130 StGB auch ein Verstoß gegen § 166 StGB in Betracht kommen. Nicht zuletzt kommt auch eine Strafbarkeit wegen Vortäuschens einer Straftat nach § 145 d Abs. 1 Nr. 1 StGB in Frage. Voraussetzung ist, dass vorsätzlich unzutreffend die Begehung einer Straftat kolportiert wird.

Bei Betreibern von Internetplattformen ist zu differenzieren zwischen legalen und illegalen Plattformen. Zudem sind die Implikationen des TMG (Telemediengesetz) sowie des NetzDG (Netzwerkdurchsetzungsgesetz) zu berücksichtigen. Geht es um legale Plattformen, kann alleine aus dem Betreiben derselben grundsätzlich keine strafrechtliche Relevanz folgen. Der Fokus liegt daher darauf, dass inkriminierte Inhalte nicht vermieden, also letztlich nicht gelöscht werden. Mithin handelt es sich um eine Strafbarkeit wegen Unterlassens. Eine konkrete Verantwortlichkeit ist deshalb nach der Vorschrift des § 13 Abs. 1 StGB im Kern davon abhängig, dass eine Garantenpflicht, mithin die rechtlich fundierte Pflicht besteht, Rechtsgutsverletzungen zu verhindern. Ob diese spezifischen Pflichten unmittelbar aus dem TMG oder dem NetzDG ableitbar sind, ist indessen bislang umstritten und damit nicht hinreichend geklärt. Möglich erscheint es jedoch, auf das tatsächliche Schaffen einer Gefahrenquelle und somit auf entsprechende Interventionspflichten abzustellen. Freilich muss zwischen Content-Providern und Host-Service-Providern unterschieden werden; nur letztere stellen Speicherplatz für fremde Informationen zur Verfügung.

Beim Betrieb illegaler Plattformen – sog. Unterground Economy Forums – geht es primär um kriminelle Inhalte und deren Verbreitung. Dies hat zur Konsequenz, dass Betreiber unmittelbar Teilnehmer oder Beteiligte an den Straftaten sind. Mithin kommt es nur noch darauf an, welche Straftaten dort begangen werden. Das Spektrum ist relativ groß: Waffengesetz, Betäubungsmittelgesetz, Volksverhetzung, Terrorismus u.a. (vgl. auch die Aufzählung in § 1 Abs. 3 NetzDG). Nicht zuletzt kann der Straftatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB verwirklicht sein.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass beim Phänomen „Fake News“ kernstrafrechtliche Verbotsnormen in unterschiedlicher Art und Weise einschlägig sein können mit der Konsequenz, dass repressive und präventive Zwecke erreicht werden. Sowohl das NetzDG als auch das TMG generieren mit ihren spezifischen Bußgeldvorschriften flankierenden Schutz. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob nicht Modifikationen vorgenommen werden sollen. Denn die skizzierten Gefahren für bedeutende Rechtsgüter verschiedener Ausprägung sind erheblich. Perspektivisch scheint es möglich, die Wahrheit als solche unter strafrechtlichen Schutz zu stellen, sodass bereits jegliche Verbreitung von Fake News kriminalisiert wäre. Fraglich ist, ob ein derart weit gefasstes Strafrecht insbesondere mit dem verfassungsrechtlich verankerten ultima ratio Prinzip kompatibel ist. Denn ein Wahrheitsschutz nur um seiner selbst willen reicht zu weit in die Freiheitssphäre. Demzufolge gehen realistische Vorschläge dahin, die Wahrheitspflicht mit bestimmten Zwecken zu unterlegen; wie z.B. Schutz von Wahlen oder von internationalen Beziehungen. Die weitere Entwicklung verspricht daher spannend zu werden. Beispielsweise will man in Brasilien zum Schutz der anstehenden Parlaments- und Präsidentenwahlen Fake News strafrechtlich bekämpfen.

Prof. Dr. Guido Britz

Rechtsanwalt
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