Quo vadis: Das Strafrecht der „Ampel“

Der Koalitionsvertrag der „Ampel“ enthält für Strafrechtler einen bunten Strauß an Vorschlägen unterschiedlicher Qualität und Intensität.

Bevor der Sozialdemokrat Olaf Scholz am 9. Dezember letzten Jahres vom Bundestag zum Kanzler gewählt und von der (neuen) Bundestagspräsidentin Bärbel Bas vereidigt wurde, haben SPD, „Grüne“ und FDP am 8.12.2021 den Koalitionsvertag „Mehr Fortschritt wagen“ unterzeichnet. Der Vertrag lag bereits zwei Monate nach der Bundestagswahl vor, bedurfte jedoch über eine Urabstimmung bei den „Grünen“ sowie über Parteitage bei SPD und FDP der parteiintern erforderlichen Zustimmung. Das 177 Seiten starke Dokument ist im Rahmen der Koalitionsverhandlungen, welche Ende Oktober 2021 begonnen hatten, innerhalb kürzester Zeit durch 22 Arbeitsgruppen mit insgesamt rund 300 Fachpolitiker*innen entwickelt worden. Eine Finalisierung erfolgte in einer sog. Hauptverhandlungsgruppe.

Der Koalitionsvertrag der sog. Ampel-Koalition untergliedert sich – einschließlich der Präambel und des Abschnittes über „Arbeitsweise der Regierung und Fraktionen“ – in neun Kapitel mit römischen Zahlen, sodass die durch die verschiedenen Arbeitsgruppen behandelten Themen eine Zusammenführung bzw. – fassung erfahren haben. Weitere Untergliederungen mittels Überschriften innerhalb der Kapitel liegen natürlich vor, haben jedoch keine formale Erfassung erfahren. Dem Strafrecht, wie dem Recht und der Rechts- wie der Kriminalpolitik überhaupt, wurde kein eigener Punkt gewidmet; was sich tendenziell als ein eher instrumentelles Verständnis von (Straf-) Recht deuten ließe.

Da ein ausdrücklicher Gliederungspunkt hierzu fehlt, sind die Aussagen zum Strafrecht aus dem Koalitionsvertrag zu destillieren. Hierbei lässt sich unterscheiden zwischen einer grundsätzlichen Positionierung zum Straf- und Strafverfahrensrecht einerseits sowie einer themenspezifischen Einbindung des Strafrechts als Steuerungsinstrument andererseits. Zu differenzieren ist übergreifend zwischen konkreten Vorhaben in Abschichtung zu (kriminal-) politischen Absichten; wodurch wiederum eine besondere Gemengelage entsteht.

Fazit

Der Koalitionsvertrag der „Ampel“ enthält für Strafrechtler einen bunten Strauß an Vorschlägen unterschiedlicher Qualität und Intensität. Vieles wird zu diskutieren, manches schlicht abzuwarten sein. Dass vor dem Hintergrund einer politischen Agenda, bei der es neben Klimaschutz, Digitalisierung und Modernisierung zugleich um Respekt, Fairness und Transparenz gehen soll, eigene Akzente mit Blick auf das Strafrecht gesetzt werden, erscheint durchaus nachvollziehbar. Dass in diesem Zusammenhang die Verteidigung und Stärkung des Rechtsstaates, angelegt in einem Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheit, hervorgehoben wird, mag unter Berücksichtigung früherer Positionen einiger der Koalitionäre sicherlich überraschen. Freilich ist positiv zu verzeichnen, dass bezogen auf die Tätigkeit der Legislative übergreifend eine Qualitätsoffensive beabsichtigt ist. Denn neue Gesetzesvorhaben sollen frühzeitig und ressortübergreifend diskutiert werden; hinzu sollen ein Digitalcheck sowie die Errichtung eines Zentrums für Legistik treten. Ferner ist ein digitales Gesetzgebungsportal mit Kommentierungsmöglichkeiten erprobungshalber vorgesehen. Speziell für das Strafrecht sind – wie beschrieben – unter anderem eine Evaluation bisheriger Gesetzgebung und eine systematische Überprüfung beabsichtigt. Erwartungen sind damit geweckt, für Spannung ist gesorgt.

Den gesamten Artikel finden Sie in der aktuellen Monatszeitschrift von juris "jm"

Ampel

Prof. Dr. Guido Britz

Rechtsanwalt
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