Bahn frei für offene W-LAN Netze? – Dead Island

Im Zuge der Digitalisierung wurde gerade in den letzten Jahren das Verlangen nach frei zugänglichen W-LAN Netzwerken stetig größer. Der Umsetzung dieses Begehrs wurden in anderen EU-Mitgliedsstaaten keine nennenswerten Steine in den Weg gelegt; in Deutschland jedoch wurde dies durch die sog. Störerhaftung weitestgehend unmöglich gemacht. So war der Betrieb eines öffentlichen W-LAN Netzwerkes nur dann rechtlich zulässig, wenn der Zugang mindestens mit einem Passwort gesichert war, da der Betreiber ansonsten im Falle einer Verletzungshandlung im Internet auf Unterlassung haftete. Der Störerhaftung trat der Gesetzgeber mit einer Änderung des Telemediengesetzes (TMG) am 28.09.2017 entgegen. Auf Grundlage dieser Gesetzesänderung urteilte nun erstmals der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Filesharing-Sache (Az. I ZR 64/17).

Rechtlicher Hintergrund:

Nach Änderung des § 8 TMG, in dem unter anderem die Haftung der Betreiber von Internetanschlüssen reguliert wird, haften gem. § 8 Abs. 3 TMG auch Betreiber eines Drahtlosnetzwerkes nicht länger für über ihren Anschluss begangene Rechtsverletzungen. Praktisch bedeutet dies, dass keine Handhabe mehr besteht, den Betreiber auf Unterlassung oder gar Schadensersatz im Wege der Abmahnung in Anspruch zu nehmen. In einem dieser zahlreichen Fälle hatte der BGH nach Änderung der Rechtslage kürzlich zu entscheiden.

Hintergrund dieser Angelegenheit war ein illegaler Upload des Computerspiels „Dead Island“ über das offene W-LAN Netzwerk eines IT-Spezialisten durch eine unbekannte Person im Jahre 2013. Die Besonderheit dieses Falles liegt auf der Hand: Im Jahre 2013 haftete der Betreiber auf Grundlage der Störerhaftung auf Unterlassung – nach neuer Rechtslage kann er jedoch nicht mehr für die Rechtsverletzung haftbar gemacht werden. Dies stellte auch der BGH in seinem Urteil fest und verwies die Angelegenheit zurück an die Berufungsinstanz.

Folgen des BGH-Urteils:

Dass diese Entscheidung nicht zwingend so zu erwarten war, verdeutlicht die Rechtsprechung des EuGH in den vergangenen Jahren. Schließlich stellte der EuGH in der in diesem Zusammenhang berühmt gewordenen Sache „McFadden - (C-484/14)“ klar, dass die Verantwortlichkeit für Rechtsverletzungen nur dann ausgeschlossen werden kann, wenn das Netzwerk mittels Passwort vor Fremdzugriff gesichert wurde. Im Lichte dieses Urteils wurde in der vergangenen Zeit heftig diskutiert, ob die Gesetzesänderung des Telemediengesetzes durch den deutschen Gesetzgeber somit nicht ranghöheres europäisches Recht verletze. Diesem Streit trat der BGH in seiner Entscheidung damit entgegen, dass den Inhabern von geistigem Eigentum mit § 7 Abs. 4 TMG eine Möglichkeit gegeben wurde, gegen Rechtsverletzungen im Netz vorzugehen. Diese neue Vorschrift räumt den Inhabern geistigen Eigentums einen Anspruch auf Sperrung ihrer Inhalte gegen den Betreiber eines W-LAN Netzes ein. Der BGH führt hierzu aus, dass die Sperrung im Sinne der Norm unter anderem die Sicherung des Netzes mit einem Passwort sein kann.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass Inhaber von offenen W-LAN Netzwerken derzeit keiner Inanspruchnahme auf Unterlassung oder Schadensersatz ausgesetzt sind. Auch dürfen im Falle der Geltendmachung des Anspruchs grundsätzlich keine etwaig entstehenden Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht werden (§ 7 Abs. 4 TMG). Der deutsche Gesetzgeber hat allerdings mit dem Anspruch des Rechteinhabers auf Sperrung der Inhalte eine Hintertür eingebaut, die in der Praxis dazu führen könnte, dass der Traum vom offenen W-LAN erneut platzen könnte.

Justizrat Dr. Udo Michalsky

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht
Zertifizierter Restrukturierungs- und Sanierungsexperte (RWS)

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