Muss ich mir Negativbewertungen immer gefallen lassen?

21.02.2022, Felix Maurer

Jeder von uns kennt es: Vor dem Kauf einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung schnell nochmal im Internet die Bewertungen anderer Nutzer checken. Wie lange hält der Akku? Ist das Produkt qualitativ hochwertig? Wie sind die Wartezeiten? Fragen, deren Antwort man binnen Sekunden anhand zahlreicher Nutzerbewertungen beantworten kann. Dies ist aus unserem heutigen Alltag nicht mehr wegzudenken. Für die Unternehmen hingegen sind diese Bewertungen ein zweischneidiges Schwert. Sind die Bewertungen positiv, kann dies den Absatz fördern. Sind sie hingegen negativ, wirkt dies abschreckend auf potentielle Kunden. Die Bewertungen haben in der Regel einen großen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Unternehmen. Umso ärgerlicher ist es sodann, wenn die Bewertungsfunktion gezielt missbraucht wird, um dem Unternehmen zu schaden. Und nicht nur das: Bewerten wir nach jedem zufriedenstellenden Onlinekauf das gekauft Produkt auch positiv? Wohl eher selten. Viel eher verfassen wir hingegen eine negative Bewertung, wenn wir mit einem Produkt nicht zufrieden sind. Gerade dies stellt für den Unternehmer regelmäßig ein großes Problem dar. Dass Negativbewertungen nicht immer hingenommen werden müssen und oftmals gelöscht werden können, zeigt der folgende Beitrag.

Das Bürgerliche Gesetzbuch bietet zahlreiche Möglichkeiten, um gegen unrechtmäßige Negativbewertungen vorzugehen. Neben dem allgemeinen Unterlassungsanspruch können dem Unternehmer auch gegebenenfalls Schadenersatzansprüche aufgrund der Verletzung seines Unternehmenspersönlichkeitsrechts oder der Verletzung des Rechts am eingerichteten ausgeübten Gewerbebetrieb zustehen. Die Erfolgsaussichten für derartige Ansprüche hängen jedoch in der Regel maßgeblich von mitunter grundrechtlichen Fragen ab; nämlich wie die Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen im konkreten Einzelfall aussieht. Hierbei stehen der unternehmerischen Freiheit des Bewerteten die grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte, die Meinungsfreiheit und das Informationsinteresse der Kunden auf der anderen Seite, gegenüber.

Bei dieser Abwägung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es sich bei der Bewertung um ein sogenanntes Werturteil, oder um eine Tatsachenbehauptung handelt:

Während sich Werturteile dadurch auszeichnen, dass sie durch eine persönliche Beziehung des sich Äußernden zu einer Aussage, die sich in einem subjektiven Meinen oder Dafürhalten manifestiert, zeichnen sich Tatsachenbehauptungen dahingehend aus, dass sie einem objektiven Wahrheitsbeweis (entweder richtig oder falsch), zugängig sind. Die Einordnung, ob es sich bei der jeweiligen Aussage um ein Werturteil oder eine Tatsachenbehauptung handelt, hat hierbei weitreichende Folgen. Denn nach der Rechtsprechung sind die Werturteile wegen der überragenden Bedeutung der Meinungsfreiheit vom Bewerteten grundsätzlich hinzunehmen, solange es sich nicht um eine Formalbeleidigung oder Schmähkritik handelt. Mit anderen Worten: Wird beispielsweise ein Arzt als „chaotisch“ oder „unorganisiert“ bewertet, stellt dies grundsätzlich eine Aussage dar, die von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und somit hinzunehmen ist.

Die Zulässigkeit von Tatsachenbehauptungen hängt hingegen davon ab, ob die darin enthaltende Aussage wahr oder unwahr ist. Wird also weiter behauptet, dass die Arztpraxis auch „dreckig“ sei und „überall benutzte Spritzen herumliegen“, stellt dies eine Tatsachenbehauptung dar. Denn es lässt sich feststellen, ob die Arztpraxis tatsächlich dreckig ist und ob dort benutzte Spritzen herumliegen. Ist dies nicht der Fall, ist die Tatsachenbehauptung falsch und die Negativbewertung folglich zu beanstanden.

Fazit

Inwieweit eine Negativbewertung also gelöscht werden kann, hängt maßgeblich davon ab, wie diese zu kategorisieren ist. Dies kann im Einzelfall unter Umständen gar nicht so einfach sein, sodass stets eine detaillierte Prüfung geboten ist.

Dass Werturteile scheinbar unangreifbar sind, ist nicht ganz zutreffend. Denn auch Werturteile enthalten zumindest auch einen Aspekt einer Tatsachenbehauptung: Nämlich dass der Bewertende überhaupt mit dem Unternehmen in Kontakt getreten ist. Kann der Unternehmer jedoch beweisen, dass es tatsächlich keinerlei Kundenkontakt zu den Bewertenden gegeben hat, muss die angebrachte Negativbewertung auch so nicht hingenommen werden. Somit haben Unternehmer gute Chancen, die besonders ärgerlichen 1-Sternebewertungen ohne Kommentar und auch solche Negativbewertungen, die unter einem Pseudonym verfasst werden, zu beseitigen.

Unternehmer sollten sich umgekehrt im Klaren sein, dass „gefälschte“ positive Bewertungen ebenfalls nicht ganz unproblematisch sind. Denn diese können als wettbewerbswidrige Irreführung beanstandet und von Mitbewerbern abgemahnt werden.

Felix Maurer

Rechtsanwalt

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