Erbrecht und Scheidung

13.08.2015, Hans-Robert Ilting

Wer meint, durch die Scheidung sämtliche rechtliche Bande mit dem früheren Ehepartner aufgehoben zu haben, irrt, denn juristisch kann dies ganz anders aussehen. Das zeigt ein gerade bekannt gewordenes Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.07.2015 (Az.: IV ZR 437/14), in welchem es um die Bezugsberechtigung aus einer Lebensversicherung ging.

Der zugrunde liegende Sachverhalt ist schnell geschildert: Der Erblasser hatte seinerzeit eine Lebensversicherung abgeschlossen und gegenüber der Lebensversicherung verfügt, dass nach seinem Tode „der verwitwete Ehegatte“ bezugsberechtigt sein sollte. Fünf Jahre später wurde die Ehe geschieden, der Versicherungsnehmer und spätere Erblasser heiratete noch im selben Jahr erneut. Zehn Jahre später verstarb er und die Lebensversicherung zahlte die Versicherungssumme an die erste, geschiedene Ehefrau aus. Die zweite Ehefrau verklagte die Versicherung auf (nochmalige) Auszahlung der Versicherungssumme an sie.

Damit war sie bis zum Oberlandesgericht Frankfurt auch erfolgreich. Die Richter legten die Erklärung des Erblassers gegenüber der Versicherung dahin aus, dass er mit dem Begriff „verwitwete Ehefrau“ die Person meinte, deren Ehepartner während einer bestehenden Ehe verstirbt. Verwitwet könne daher nur die zum Zeitpunkt des Todes mit dem Ehemann verheiratete Klägerin gewesen sein.

Die erste Ehefrau legte allerdings Revision ein und war damit wiederum erfolgreich. Denn der Bundesgerichtshof ist gänzlich anderer Meinung und hat die Klage der zweiten Ehefrau gegen die Lebensversicherung abgewiesen; die Versicherung habe an den Richtigen bezahlt. Begründung: Mit der Verwendung des Wortes „Ehegatte“ wolle der Versicherungsnehmer keineswegs gerade die Person begünstigen, die zum Zeitpunkt des Todes mit ihm verheiratet sein wird, er verbinde vielmehr mit diesem Wort die Vorstellung, dass damit gerade derjenige gemeint ist, mit welchem er zum Zeitpunkt der Erklärung verheiratet ist. Es sei überhaupt nicht ersichtlich, dass sich der spätere Erblasser bei Abgabe seiner Bezugsrechtsbestimmung Gedanken über den Fortbestand seiner Ehe mit der damaligen Ehefrau machte oder gar den Fall einer Scheidung und Wiederheirat in Betracht gezogen habe.

Nach der Ansicht des BGH ist also erforderlich, dass klargestellt wird, dass der im Todeszeitpunkt in gültiger Ehe verheiratete Ehegatte bezugsberechtigt sein soll. Im Scheidungsfall ist also genau zu prüfen, welche Formulierung bei der Bezugsrechtsvereinbarung gewählt wurde. Vorsorglich ist eine Klarstellung gegenüber der Versicherung erforderlich.

Hans-Robert Ilting

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Erbrecht
Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)

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