Eine alleinstehende und kinderlose Dame mit einem Vermögen von mehreren Millionen Euro hatte 2014 durch einen notariellen Erbvertrag ihren langjährigen Steuerberater als alleinigen Erben eingesetzt. Nach ihrem Tod 2015 beanspruchten die gesetzlichen Erben (Neffen und Nichten) die Erbschaft für sich mit dem Argument, die Tante sei aufgrund wahnhafter Störungen nicht in der Lage gewesen, wirksam zu testieren. Tatsächlich bestätigte ein Sachverständiger nach gerichtlicher Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen, des Notars und Ärzten diese Behauptung.
Der in seiner Erberwartung enttäuschte Steuerberater wollte dies nicht wahrhaben, scheiterte allerdings sowohl in dem Verfahren vor dem Amtsgericht zur Erteilung des Erbscheins, als auch vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Celle (Az. 6 U 2/22). Dieses verwies darauf, dass es bei der Klage der gesetzlichen Erben auf Herausgabe der Erbschaft alleine auf die Wirksamkeit des Erbvertrages ankomme, und nicht darauf, ob der Steuerberater die Testierunfähigkeit der Erblasserin kannte, hätte erkennen können oder gutgläubig gewesen sei. Daher ist er grundsätzlich zur Auskehrung des gesamten Erbes verpflichtet.
Der Fall zeigt, dass sich die Nichtigkeit einer testamentarischen Verfügung, selbst wenn sie notariell beurkundet wurde, mitunter erst nach vielen Jahren ergeben und zu einer unliebsamen Überraschung führen kann. Prozesse um die Testierfähigkeit sind regelmäßig sehr zeitaufwendig und kostenträchtig, da mitunter eine Vielzahl von Zeugen, Ärzten, Pflegepersonal vernommen werden muss und am Ende ein teures neurologisches Sachverständigengutachten ansteht.
Geschichten, die das Leben schreibt:
12.04.2023, Hans-Robert Ilting
Hans-Robert Ilting
RechtsanwaltFachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Erbrecht
Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)