Grob skizziert lag der Entscheidung folgender Sachverhalt zugrunde:
Haus- und Grundstückseigentümer aufgepasst
Werkunternehmer H führte im Auftrag der Eheleute B am Flachdach des Hauses der B Reparaturarbeiten durch. Hierbei verursachte er schuldhaft mit einem Heißbrenner einen Brand des Hauses der B, wobei dieses vollständig abbrannte. Durch den Brand und die Löscharbeiten wurde das an das brennende Haus der B unmittelbar angebaute Haus der Nachbarin N erheblich beschädigt. Das Haus der Nachbarin ist bei der Klägerin versichert, die ihr eine Entschädigung geleistet hat. Die Versicherung verlangt nun aus übergegangenem Recht von den B Ersatz, da Werkunternehmer H zwischenzeitlich insolvent wurde.
Ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss.
Voraussetzung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs ist dabei unter anderem, dass der Anspruchsgegner, mithin die B, als Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB zu qualifizieren ist. Fraglich war vorliegend einzig, ob die B als solche Störer zu qualifizieren sind. Hierzu führt der Senat bejahend aus:
Die Störereigenschaft folgt nicht allein aus dem Eigentum oder Besitz an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht. Erforderlich ist vielmehr, dass die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigsten mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzer zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer oder Besitzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn sich aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, eine „ Sicherungspflicht“, also eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigung ergibt. Maßgeblich ist hierbei, ob der Grundstückseigentümer oder Besitzer nach wertender Betrachtung für den gefahrenträchtigen Zustand seines Grundstücks verantwortlich ist, er also zurechenbar den störenden Zustand herbeigeführt hat. Wesentliche Zurechnungskriterien sind dabei unter anderem die Veranlassung, die Gefahr und Beherrschung oder die Vorteilsziehung.
Sachgründe, die es rechtfertigen, dem Grundstückseigentümer oder Besitzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen und ihn damit als Störer zu qualifizieren, wurden etwa dann bejaht, wenn ein Haus infolge eines technischen Defekts seiner elektrischen Geräte oder Leitungen in Brand gerät oder Wasser infolge eines Rohrbruchs auf das Nachbargrundstück gelangt. Denn hierdurch verursachte Störungen stellen gerade kein allgemeines Risiko dar, das sich ebenso gut bei dem Haus des Nachbarn hätte verwirklichen können und dessen Auswirkung von dem jeweils Betroffenen selbst zu tragen sind.
Nach diesen Grundsätzen wurde im vorliegenden Fall eine Haftung aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog dem Grunde nach bejaht, dass es sich bei dem vorliegenden Brand nicht um ein allgemeines Risiko, im oben genannten Sinne handelt.
Der Annahme einer Verantwortlichkeit steht, nach Ansicht des Senats, auch nicht entgegen, dass der Brand auf die Handlung eines Dritten, nämlich auf die Arbeiten des von B mit der Vornahme einer Dachreparatur beauftragten Werkunternehmers zurückzuführen ist. Auch in diesem Fall sind die B, nach Ansicht des Senats, als Störer zu qualifizieren. Denn mittelbarer Handlungsstörer ist auch derjenige, der die Beeinträchtigung des Nachbarn durch einen anderen in adäquater Weise durch seine Willensbetätigung verursacht hat. Maßgeblich ist auch hier, ob es Sachgründe gibt, die aufgetretene Störung ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen. Dies ist vorliegend zu bejahen. Die B waren diejenigen, die die Vornahme von Dacharbeiten veranlasst haben und die aus den beauftragten Arbeiten auch ihren Nutzen ziehen wollten. Dass sie den Handwerker sorgfältig ausgesucht und ihm die konkrete Ausführungsart nicht vorgeschrieben haben, ändert nichts daran, dass sie mit der Beauftragung von Dacharbeiten eine Gefahrenquelle geschaffen haben und damit der bei der Auftragsausführung verursachte Brand auf Umständen beruhte, die ihrem Einflussbereich zuzurechnen sind.
Der Senat ist ebenso der Ansicht, dass der entsprechenden Anwendung von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB es ebenso nicht entgegensteht, dass der Eigentümerin des Nachbargrundstücks gegen den Werkunternehmer Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung zustehen. Zwar sei der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch subsidiär; dies schließe daher eine Anwendung grundsätzlich aus, soweit eine andere in sich geschlossene Sonderregelung besteht. Eine solche Sonderregelung nimmt der BGH jedoch nur bei Vorschriften an, welche den Ausgleich im nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis abschließend regeln und deren Wertung unterlaufen würde. Vorliegend verhalte es sich daher anders. Die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB kann folglich nicht damit verneint werden, dass ein anderer Haftungstatbestand eingreift, insbesondere, als im vorliegenden Fall der Haftungstatbestand die Haftung einer dritten Person betrifft.
Mithin hat der BGH im Ergebnis konsequenterweise einen Entschädigungsanspruch in angemessener Höhe gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog bejaht. Die Hauseigentümer sind damit zum Ersatz der entstandenen Schäden verpflichtet.
Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass durch diese Entscheidung des BGH jedem Haus- oder Grundstückseigentümer dann eine Störerhaftung nach dem verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB droht, wenn dieser einen Werkunternehmer mit Arbeiten am Haus oder Grundstück beauftragt und dieser Werkunternehmer ein Schaden bei Dritten verursacht. Da dies nach der Entscheidung auch dann gelten soll, wenn die Haus- und Grundstückseigentümer den Werkunternehmer sorgfältig ausgewählt haben, ist die Haftung dem Grunde nach uneingeschränkt. Dies insbesondere unter dem Umstand, dass eine Veranlassung im oben genannten Sinne wohl fast immer dann anzunehmen ist, wenn der Haus- oder Grundstückseigentümer Arbeiten an seinem Haus vornehmen lässt. Ob dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht kann bezweifelt werden. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass Anspruchsinhaber und -gegner auch die Mieter der Grundstücke sein können. Entscheidend ist dabei nur, dass die beiden betroffenen Grundstücke nicht identisch sind, was innerhalb einer WEG je nach Fallgestaltung unterschiedlich beurteilt werden kann.
Insoweit ist die Entscheidung daher insgesamt äußerst kritisch zu betrachten, weitet diese doch den Störerbegriff über das Maß hinaus aus. Auswirkungen auf die Praxis bleiben abzuwarten, da es vorliegend den Anschein hat, dass es sich bei der Entscheidung um eine Einzelfallentscheidung handelt.
Insoweit ist die Entscheidung kritisch zu betrachten, da diese den Störerbegriff über das Maß hinaus ausweitet. Es hat den Anschein, als sollte die Haftung um der Haftung Willen im vorliegenden Einzelfall ausgedehnt werden, damit die Klägerin aufgrund der Insolvenz des Werkunternehmers nicht „leer ausgeht“. Auswirkungen auf die Praxis bleiben daher abzuwarten.
Moritz Torgau
RechtsanwaltFachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht