Vorsicht beim Briefeschreiben!

12.08.2016, Hans-Robert Ilting

Ein Testament muss nicht als Testament oder „Letzter Wille“ überschrieben sein. Dass aber unter Umständen auch ein bloßer Brief als Testament angesehen werden kann, zeigt folgender Fall:

Die Erblasserin hatte im Jahr 1975 ein Testament errichtet und zunächst beim Nachlassgericht hinterlegt. Kurz später schrieb sie einem Miterben folgenden Brief: „Habe mich entschlossen nach meinem Tode mein Barvermögen Ihnen zur Verfügung zu stellen. Sollte mir unerwartet etwas zustoßen, dann halten Sie dieses Schreiben als Vollmacht“. Das bei Gericht hinterlegte Testament widerrief die Erblasserin später.

Nach ihrem Tode wurde zunächst ein Erbschein auf Grundlage der gesetzlichen Erbfolge erteilt. Danach legt der Begünstigte den an ihn gerichteten Brief von 1975 vor und beantragte die Einziehung des Erbscheins und Erteilung eines Erbscheins, welcher ihn als Alleinerbe ausweisen sollte.

Das allerdings ohne Erfolg: Das OLG München hat in einem Beschluss vom 31.03.2016 festgestellt, dass zwar testamentarische Anordnungen nicht nur in einer förmlichen Urkunde möglich sind, dass allerdings außer Zweifel stehen muss, dass der Erblasser das Schriftstück als „rechtsverbindliche letztwillige Verfügung“ angesehen hat. Das sei auszulegen. Und diese Auslegung hat vorliegend ergeben, dass schon die Formulierung „Habe mich entschlossen, nach meinem Tode….“ eher für eine bloße Mitteilung an den Begünstigten spreche. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass das kurz vorher errichtete Testament von der Erblasserin widerrufen worden war. Das spreche dafür, dass der Erblasserin bewusst war, dass sie ihren letzten Willen durch ein förmliches Testament erklären wollte und nicht in schlichter Briefform.

Die Idee des mit dem Brief (scheinbar) Begünstigten war clever. Immerhin hatte das Nachlassgericht als Vorinstanz den Brief tatsächlich als Testament werten und den Adressaten des Briefs als Alleinerben feststellen wollen.

Hans-Robert Ilting

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Erbrecht
Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)

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