BGH: Eltern haften bei Aufsichtspflichtverletzung gegenüber ihrem Kleinkind

26.03.2021, Marion Bayer

Ein dreijähriges Kind wurde bei einem Reitturnier von einem Pferd getreten und verletzt, nachdem es sich unbemerkt zum Spielen von seinen Eltern entfernt hatte. Die in Anspruch genommene Pferdehalterin klagte gegen die Eltern auf Freistellung von allen Ansprüchen wegen Verletzung der Aufsichtspflicht und bekam vor dem BGH recht.

Im Sommer 2014 stieg ein dreijähriges Kind während eines Reitturniers von den Eltern unbemerkt in Baden-Württemberg in einen wegen der Hitze geöffneten Pferdeanhänger. Das Kind wurde im Anhänger von einem Huf des Pferdes am Kopf getroffen und verletzt.
Die Halterin des Pferdes bzw deren Haftpflichtversicherung sowie der Betreiber des Reitturniers wurden auf Schadensersatzzahlungen in Anspruch genommen. Die Pferdehalterin und deren Haftpflichtversicherung klagten daher gegen die Eltern wegen einer Aufsichtspflichtverletzung auf Freistellung von sämtlichen Schadensersatzansprüchen ihres Kindes und bekamen zunächst nur teilweise recht:

Das Landgericht Freiburg (Breisgau) entschied, dass die beklagten Eltern die Klägerinnen zu einem Anteil von 2/3 von den Schadenersatzansprüchen des Kindes freizustellen haben, Das OLG Karslruhe nahm Oberlandesgericht Karlsruhe eine Quote von 1/3 an. Seiner Auffassung nach haften sowohl die Klägerinnen, der Turnierveranstalter als auch die Beklagten als Gesamtschuldner für die Folgen des Pferdeunfalls. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision der Klägerinnen und Beklagten.

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19.01.2021, AZ VI ZR 210/18) entschied zu Gunsten der Klägerinnen. Weder diese noch der Turnierveranstalter haften aus § 823 Abs. 1 BGB.
Diese haben keine Vorkehrungen treffen müssen, um zu verhindern, dass ein Kind in den Pferdeanhänger gelangt. Sie haben darauf vertrauen dürfen, dass Kleinkinder entsprechend beaufsichtigt werden. Die Klägerinnen haften zwar wegen der Tiergefahr aus § 833 Satz 1 BGB, allerdings trete diese Haftung im Verhältnis zu den Eltern aber zurück.

Die Beklagten haften gegenüber ihrem Kind wegen einer Verletzung der Aufsichtspflicht, so der Bundesgerichtshof.
Die Haftung ergebe sich aus § 1664 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 1 BGB. Aufgrund der Möglichkeit, dass ein unbeaufsichtigtes Kind bei einem Reitturnier unvermittelt in Kontakt mit Pferden habe kommen können, sei es vorauszusehen gewesen, dass bei einem unbemerkten Entfernen von (kleinen) Kindern erhebliche Gefahren drohen können. Die Beklagten seien daher verpflichtet gewesen, ihr Kind nicht aus den Augen zu lassen und an der Hand zu halten.

Generell stellt der BGH fest:
Je gefährlicher die konkrete Situation ist, umso höher ist die Aufsichtspflicht. Kleinkinder bedürfen nach Ansicht des BGH ständiger Aufsicht, ein Freiraum mit regelmäßiger Kontrolle könne erst ab einem Alter von 4 Jahren zugestanden werden, abhängig von der konkreten Situation.

Marion Bayer

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht
Fachanwältin für Familienrecht

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