Der Unfallgegner ist schuld? Sofort zum Anwalt!

16.12.2015, Ingo Witte

Ein Vorgang wie er sich täglich hundertfach in Deutschland wiederholt: Es kommt zu einem Unfall mit Blechschaden, niemand wird schwerwiegend verletzt und der Unfallverursacher erklärt, schuld gewesen zu sein und dass seine Versicherung den Schaden übernehmen werde. Viele Betroffene denken nun, dass die Sachlage damit klar sei und kommen gar nicht erst auf die Idee, in dieser Angelegenheit anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies ist jedoch ein Fehler. Gerade in einem solchen Fall sollte man einen versierten Anwalt, vorzugsweise einen Fachanwalt für Verkehrsrecht, mit der Regulierung des Unfallschadens beauftragen.

Dies sehen zumindest die Gerichte in Deutschland so, es ist allgemein herrschende Rechtsprechung, dass die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der Regulierung des Unfallschadens ebenso erforderlich ist, wie die Beauftragung eines Sachverständigen, die Einschaltung einer Reparaturwerkstatt oder die Inanspruchnahme eines Mietwagens.

Alles was erforderlich zur Behebung der Unfallschäden ist, ist vom gegnerischen Haftpflichtversicherer zu erstatten, was bedeutet, dass die Beauftragung eines Rechtsanwaltes ab der ersten Sekunde nach dem Unfall für den Geschädigten kostenlos ist. Der Geschädigte hat somit die Gewähr, dass er auch all das bekommt, was ihm zusteht, muss sich nicht mit dem Versicherer herumschlagen und bekommt die notwendige fachliche Beratung und Betreuung durch einen Anwalt ohne etwas dafür bezahlen zu müssen.

Warum ist das nun so? Hatte nicht der Unfallgegner im eingangs erwähnten Beispiel die Schuld auf sich genommen? Hat er nicht gesagt dass seine Versicherung alles bezahlen würde?

Der Schönheitsfehler ist, dass der Unfallverursacher überhaupt nicht zu entscheiden hat, ob und wieviel sein Versicherer bezahlt. Das entscheidet der Versicherer ganz allein.

Selbst wenn die Haftungsfrage ganz klar sein sollte, bedeutet dies nicht, dass der gegnerische Versicherer bereit ist, dem Geschädigten alles zu zahlen, was ihm zusteht.

Die meisten Streitigkeiten mit Kfz Haftpflichtversicherern werden nicht über die Frage geführt, ob etwas zu bezahlen ist, sondern wie viel zu zahlen ist.

Die Haftpflichtversicherer stehen untereinander in einem sehr starken Wettbewerb, die meisten Kfz Haftpflichtversicherer arbeiten defizitär und werden von ihren Mutterkonzernen nur deshalb aufrecht erhalten, um so an potentielle Kunden für lukrativere Versicherungszweige zukommen.

Dies hängt auch damit zusammen, dass es einen starken Preiskampf bei den Kfz-Haftpflichtversicherer gibt. Jeder kann sich in Vergleichsportalen im Internet über den Versicherer mit der günstigsten Prämie informieren.

Wenn ein Versicherer nun versucht, Gewinn zu machen oder zumindestens die Verluste zu minimieren, so ist dies nicht möglich über eine Erhöhung der Prämien, sondern vor allen Dingen durch verringerte Auszahlungen von Schadensersatzsummen.

Dies kann man in keinem Vergleichsportal im Internet überprüfen, zudem erfolgen die Kürzungen ja gerade nicht gegenüber den eigenen Kunden, sondern gegenüber fremden Dritten.

Vergegenwärtigt man sich nun, dass Schätzungen nach ca. 80-90 % aller Unfallregulierungen ohne anwaltliche Hilfe erfolgen, so wird erkennbar, welches Einsparungspotenzial sich den Versicherern hier bietet.

Verständlicherweise haben die Versicherer deshalb auch kein Interesse daran, dass Anwälte ihnen bei der Unfallregulierung auf die Finger sehen. Oftmals wird deshalb sofort versucht, den Unfallgeschädigten so schnell wie möglich telefonisch zu erreichen und ihm mitzuteilen, dass alle berechtigten Unfallschäden übernommen werden, so dass die Unfallopfer das gute Gefühl vermittelt bekommen, alles würde zu Ihrer Zufriedenheit laufen.

Das Dumme daran ist, dass es die Versicherung ist, die dann entscheidet was berechtigt ist und was nicht.

Eine weitere Strategie der Versicherer ist es, Werkstätten schnellen und unproblematischen Ausgleich der Reparaturrechnungen zu versprechen, für den Fall, dass die Werkstätten die Unfallopfer von Rechtsanwälten fernhalten. Dies führt dann dazu, dass Ansprüche auf Wertminderung, Nutzungsausfall, Kostenpauschale oder Schmerzensgeldansprüche auf der Strecke bleiben.

Verschärft wird das ganze teilweise noch dadurch, dass bei manchen Versicherungen mit den Sachbearbeitern Zielvereinbarungen vereinbart werden, wieviel diese durch Kürzungen erwirtschaften müssen. Dies führt zu einem hohen Druck auf die Sachbearbeiter, was wiederum zu erheblichen Kürzungen führen kann, die keiner gerichtlichen Überprüfung standhalten würden.

Da, wie oben bereits erwähnt, die meisten Unfallschäden jedoch nicht anwaltlich überprüft werden, erwirtschaften die Versicherungen mit dieser Vorgehensweise teilweise erhebliche Summen.

Eine weitere Methode der Versicherer Geld zu sparen ist, dem Geschädigten anzubieten, die Durchführung der Reparatur gleich ganz zu übernehmen.

Da wird dann angeboten, das Fahrzeug abzuholen und es repariert und gereinigt wieder abzuliefern, ein Angebot das für manchen Geschädigten verlockend klingen mag, muss er sich doch um nichts kümmern.

Man darf nun nicht denken, dass die Versicherer dies aus reiner Selbstlosigkeit tun, tatsächlich werden die Reparaturen dann bei Werkstätten durchgeführt, die mit den Versicherern besonders günstige Stundensätze vereinbart haben und die deshalb bemüht sind, das Fahrzeug mit möglichst wenig Aufwand wieder instand zu setzen.

Erstaunlich ist, dass viele Unfallopfer sich darauf einlassen, schließlich würde kaum ein erkrankter Arbeitnehmer auf einen Arztbesuch verzichten und stattdessen sich von seinem Arbeitgeber behandeln lassen, bloß weil dieser verspricht sich um alles zu kümmern und dafür zu sorgen dass er “ schnell wieder fitt wird“.

Wie man also sehen kann, ist es nicht ratsam, ausgerechnet dem Versicherer des Schädigers zu vertrauen, für den man nur einen Kostenfaktor darstellt, den es möglichst klein zu halten gilt.

Nur ein Rechtsanwalt, der allein seinem Mandanten verpflichtet ist, kann die Gewähr dafür bieten, dass man als Unfallgeschädigter seine Interessen gegenüber den Profiregulierern der Haftpflichtversicherer wahren kann.

Die Unfallregulierung durch einen Rechtsanwalt ist also nicht nur empfehlenswert, sondern- auch nach Auffassung der Gerichte- erforderlich. Und zudem kostenlos.

Ingo Witte

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht
ADAC Vertragsanwalt

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