Mediation im Kündigungsschutzprozess

Sehr häufig liegt einer Kündigung ein Konflikt im Betrieb des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers zugrunde. Statistisch gesehen sind ca. 40 % aller Arbeitsgerichtsverfahren Kündigungsschutzprozesse. Es kann daher der Mediation im Falle einer Kündigung eine große Bedeutung zukommen.

I.

1.

Vorteile der Mediation bestehen auch darin, dass Diskretion eher gewahrt wird, als in einem öffentlichen Gerichtsverfahren. Darüber hinaus ist die Mediation erfahrungsgemäß kostengünstiger und auch schneller.

Dies steht auch mit der Konzeption des Kündigungsrecht in Einklang, wonach jede Kündigung ultima ratio der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ist. Dies kommt auch zum Ausdruck, wenn die Gesetzgebung die Abwägung der beiderseitigen Interessen fordert (§ 626 Abs. 1 BGB). Bei der ordentlichen Kündigung ist die Interessen von der Rechtsprechung gefordert bzw. erfolgt in der Prüfung der sozialen Rechtfertigung.

Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist in § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG vorgegeben.

Danach spielen Umstände des Übermaßverbots, der ultima ratio der Kündigung und der gebotenen Interessenabwägung die entscheidende Rolle.

Im Gegensatz zur Mediation ist diese Interessenabwägung im Falle eines Kündigungsschutzprozesses jedoch nachgelagert und es wird regelmäßig nicht der ursprüngliche Konflikt, der zur Kündigung geführt hat gelöst.

Die vom Gericht durch Urteil zu treffende Entscheidung ist Vergangenheit orientiert. Die Kündigung ist wirksam oder sie war unwirksam. Es kann nur eine Seite gewinnen. Die wirklichen Interessen der Parteien braucht das Gericht in seiner Entscheidung nicht zu erforschen. So kann es sein, dass ein Arbeitnehmer obsiegt und in den Betrieb zurück muss, obwohl in Wirklichkeit er vielleicht viel lieber das Arbeitsverhältnis beendet und sich mit einer Abfindung begnügt hätte. Diese Schwierigkeiten kann die Mediation berücksichtigen ebenso eine meditative geführte Verhandlung vor dem Arbeitsgericht.

Die Mediation fragt nach den Interessen der Beteiligten, also danach, aus welchem Grund die Parteien die jeweiligen gegensätzlichen Positionen einnehmen und was sie wirklich erreichen wollen, also, ob der gegen eine Kündigung klagende Arbeitnehmer wirklich auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses Wert legt.

Die Mediation kann eine bedeutende Rolle einnehmen, wenn der ursprüngliche Konflikt gelöst wird und somit auch die Kündigung möglicherweise überflüssig wird. Dem ultima ratio Prinzip wäre damit eher Rechnung getragen. Durch die Mediation soll es zwischen den Parteien zu einer Win-Win-Situation kommen, in der beide Parteien ihre Interessen als gewahrt ansehen können

Mediation ist daher ein Mittel zur präventiven Vermeidung von Kündigungen.

2.

Auch das Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht ist auf einen Ausgleich angelegt. Es ist dies Sinn und Zweck der Güteverhandlung, die auf die gütliche Einigung der Parteien ausgerichtet ist, sodass grundsätzlich auch Raum für eine außergerichtliche Mediation besteht.

Es gibt die Möglichkeit der außergerichtlichen Mediation ab Erhalt der Kündigung als Grundlage prozesstaktischer Erwägungen. Es kann erwogen werden sich nur auf eine außergerichtliche Mediation zu verlassen und erst gar nicht ein arbeitsgerichtliches Verfahren wegen einer Kündigungsschutzklage aktiv zu betreiben. Es kann aber auch zunächst eine Kündigungsschutzklage erhoben werden im Zuge des laufenden Verfahrens eine außergerichtliche Mediation durchgeführt werden.

Problematisch ist bei einer außergerichtlichen Mediation, wenn diese primär in Erwägung gezogen werden soll, dass ohne Erhebung einer Kündigungsschutzklage innerhalb der maßgeblichen Frist von drei Wochen ab Zugang der schriftlichen Kündigung und dem gleichzeitigen ungewissen Ende eines außergerichtlichen Mediationsverfahren die Fiktion der Rechtmäßigkeit der Kündigung nach §§ 4, 7 KSchG eintritt.

Es könnte diesem Risiko entgegengetreten werden, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, die Rücknahme der Kündigung zu erklären, um das Ergebnis der parallel angelaufenen rein außergerichtlichen Mediation abzuwarten. Aus anwaltlicher Sicht ist dies dennoch risikobehaftet und kann zu einer Haftung des Anwaltes führen, der den Arbeitnehmer vertritt.

Eine Alternative ist, was auch häufig z. B. bei dem Aushandeln von Aufhebungsverträgen oder Abwicklungsverträgen der Fall ist, dass abgestimmt aus formalen Gründen und aus Gründen der Fristwahrung ein Kündigungsschutzverfahren eingeleitet wird und die Parteien sich im laufenden Kündigungsschutzprozess auf ein Mediationsverfahren einlassen.

Um eine Ausschlussfrist in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen oder gesetzliche Fristen wahren zu können, sollte die Klageerhebung zu diesen Zwecken in einer Meditationsklausel zugelassen werden. Auch im Vorfeld der Mediation kann eine entsprechende Verständigung darauf erfolgen.

3.

Dieses außergerichtliche Mediationsverfahren hat auch eine Stütze in § 54a ArbGG. Mit der Einführung des Mediationsgesetzes wurde das ArbGG um diese Vorschrift ergänzt. Danach kann das Gericht den Parteien eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung vorschlagen. Dem Vorsitzenden kommt dabei ein eigenes Ermessen zu, diesen Weg anstatt des Güterichterverfahrens zu betreiben. Eine außergerichtliche Mediation kann insbesondere dann angezeigt sein, wenn dem Rechtsstreit Konflikte zugrunde liegen, die im gerichtlichen Verfahren nicht oder nur unzureichend beigelegt werden. Dabei geht es vor allem um das Ansprechen als relevant empfundener Dinge, im emotionales Konfliktpotenzial, Aussöhnung und die Vermeidung seelischer Folgeschäden.

Nach § 54a Abs. 2 S. 1 ArbGG führt ein solches Verfahren dann zunächst zum Ruhen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens im Sinne des § 251 ZPO. Da im Arbeitsgerichtsverfahren der Beschleunigungsgrundsatz gilt nimmt das Arbeitsgericht das streitige Verfahren nach drei Monaten im Sinne des § 54a Abs. 2 S. 1 ArbGG wieder auf, wenn die Parteien nicht darlegen, dass das außergerichtliche Verfahren noch betrieben wird.

Ist das außergerichtliche Mediationsverfahren erfolgreich, kann die Klage zurückgenommen werden oder das Gericht um einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag gebeten werden. Ein gerichtlicher Vergleich ist sinnvoll, da soweit ein vollstreckungsfähiger Inhalt gegeben ist, die getroffene Vereinbarung auch mit staatlichen Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann. Erfahrungsgemäß wird einer gerichtlichen Einigung auch eine höhere Autorität beigemessen als einer Vereinbarung nur zwischen den Parteien.

Die außergerichtliche Mediation führte zur Hemmung der Verjährung nach § 203 BGB, da der dortige Begriff der schwebenden Verhandlungen auch die außergerichtliche Mediation erfasst.

4.

Es kann nach den verschiedenen Kündigungsarten unterschieden werden, was die Bedeutung der Mediation angeht.

a)

Sowohl Beendigungs- als auch Änderungskündigung stellen erhebliche Einschnitte in das bestehende Vertragsverhältnis dar und beeinflussen den Arbeitnehmer wirtschaftlich und psychologisch.

Eine unterschiedliche Behandlung der beiden Kündigungsarten ist daher weniger von Bedeutung.

Bei einer außerordentlichen Kündigung abgrenzend zur ordentlichen Kündigung ist dies anders. Bei der Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung hat der Gesetzgeber schon enge Grenzen gesetzt. Er verlangt einen wichtigen Grund und zusätzlich, dass dem Arbeitgeber bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht weiter zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB). Die außerordentliche Kündigung ist auch gegenüber der ordentlichen Kündigung die ultima ratio. Als wichtiger Grund kommen schwer wiegende Pflichtverletzungen und strafbare Handlungen in Betracht. Der Arbeitgeber wird vor diesem Hintergrund wohl kaum einen Raum für eine Mediation sehen. Sind die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung erfüllt wird der Arbeitgeber kaum eine Rücknahme und eine Lösung des Konfliktes in Erwägung ziehen.

b)

Bei betriebsbedingten Kündigungen liegt der Grund in der Sphäre des Arbeitgebers. Kann er die Tatbestandsvoraussetzungen darlegen, so führt aus seiner Sicht eine Mediation zu einer zeitlichen Verzögerung. Eine Mediation käme realistischerweise nur in Betracht bei emotionalen Konflikten wie der Planung von Missachtung von betriebsinternen Regelungen, schikanösen Verhalten des Arbeitgebers oder bei einer evident fehlerhaften Sozialauswahl.

c)

Bei einer personenbedingten Kündigung liegen die Gründe in der Sphäre des Arbeitnehmers, auch wenn er diese nicht schuldhaft verursacht hat. Die Störung des Arbeitsverhältnisses liegt regelmäßig nicht im steuerbaren Bereich. Auch hier ist eine Mediation eher unwahrscheinlich, da auf das nicht steuerbare Verhalten kaum eingewirkt werden kann und ein Änderungspotenzial nicht besteht.

d)

Am ehesten kommt eine Mediation bei verhaltensbedingten Kündigungen in Betracht. Hier geht es um ein vorwerfbares arbeitsvertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, obwohl ihm ein anderes Verhalten möglich gewesen wäre. Zu beachten ist allerdings, dass die Rechtsprechung vor Ausspruch der Kündigung im Regelfall eine einschlägige Abmahnung für erforderlich hält. Dabei handelt es sich um nichts anderes als um die Mitteilung einer Konfliktlage, die der Arbeitgeber bei einem erneuten gleich gelagerten Rechtsverstoß seitens des Arbeitnehmers durch den Ausspruch der Kündigung auszulösen gedenkt.

Zu beachten ist allerdings, dass Abmahnung und Mediation völlig unterschiedlich sind. Eine alternative Anwendung scheidet daher aus. Die Warnfunktion eine Abmahnung stellt ein wesentliches Element im Rahmen der vom Arbeitgeber zu treffenden Prognoseentscheidung dar, die nicht ohne weiteres ersetzt werden kann. Auch eine zusätzliche Obliegenheit des Arbeitgebers zur Durchführung eines außergerichtlichen Mediationsverfahrens wird zu verneinen sein, denn sie würde den Arbeitgeber über Gebühr benachteiligen. Anders ist die Lage zu beurteilen, wenn im Rahmen einer Stellungnahme zu erteilten Abmahnung eine mediationsgeeignete Konfliktlage zutage tritt. Die Durchführung einer außergerichtlichen Mediation ist dann ein milderes Mittel zur verhaltensbedingten Kündigung. In dem Fall ist auf beiden Seiten durchaus zuzumuten, sich nach Abmahnung und Stellungnahme zunächst gemeinsam mit der Möglichkeit einer außergerichtlichen Mediation auseinanderzusetzen.

II.

1.

Eine Möglichkeit die außergerichtliche Mediation zu erzwingen ist eine Mediationsklausel im Arbeitsvertrag. Für den Fall wäre eine Klausel auch als Wirksamkeitserfordernis einer Kündigung zu vereinbaren. Es ist jedoch zu beachten, dass eine Mediationsklausel nach AGB-Recht zu beurteilen ist. Regelmäßig ist der Arbeitgeber Verwender, von daher gehen Unklarheiten der Regelung bzw. deren Unwirksamkeit wegen unangemessener Benachteiligung im Sinne des §§ 307 Abs. 2 S. 2 BGB voll zu seinen Lasten.

Der Arbeitnehmer wird sich sodann auf die Durchführung eines Mediationsverfahrens vor Kündigungsausspruch berufen können. Umgekehrt ist es schwer vorstellbar, dass eine Mediationsklausel im Arbeitsvertrag ein Klageverzicht des Arbeitnehmers bedeutet. Die §§ 4,7 KSchG sind nicht dispositiv.

2.

Die Vereinbarung einer Mediation trägt der Statistik von Kündigungsschutzverfahren Rechnung, wonach diese überwiegend nicht durch ein Urteil erledigt werden, sondern durch einen Abfindungsvergleich.

Auf seitens des Arbeitnehmers ist die Existenzsicherung für sich und seine Familie von Bedeutung von daher auch die Höhe der Abfindung.

Der Arbeitgeber möchte aus wirtschaftlichen Gründen einen möglichst geringen Betrag zahlen.

Der Ausgangskonflikt, nämlich ob die Kündigung wirksam ist oder nicht, tritt zurück. Das gemeinsame Interesse der Streitparteien, das Arbeitsverhältnis in einem angemessenen Rahmen mit finanziellen Ausgleich zu beenden, ist häufig verbunden mit dem Wunsch des Arbeitnehmers, ihn in seiner Person angemessen zu würdigen, etwa durch eine Entschuldigung und ein Bedauern des Arbeitgebers, Rücknahme von Vorwürfen und Erteilung eines wohlwollenden, das berufliche Fortkommen unterstützenden Zeugnisses.

Diesen Interessen wird häufig vor einem erfahrenen Arbeitsgericht im Gütetermin Rechnung getragen. Eine Untersuchung im Auftrag des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung hat ergeben, dass in erster Instanz 16 % und in zweiter Instanz 44 % aller Kündigungsrechtsstreite durch streitiges Urteil erledigt werden, wobei Arbeitnehmer wie Arbeitgeber etwa gleich häufig Recht behalten.

Nach der erwähnten Untersuchungen der Kündigungspraxis hat nur ein Drittel der Arbeitnehmer als Grund für seine Klage angegeben, den Arbeitsplatz nicht verlieren zu wollen. In mehr als der Hälfte der Fälle geht es den Arbeitnehmer nicht in erster Linie um ein bestimmtes materielles Ergebnis. Vielmehr wollen die Arbeitnehmer mit ihrer Klage den Arbeitgeber in ihre Schranken weisen und in ihrem verletzten Gerechtigkeitsempfinden dadurch Ausdruck verschaffen, dass sie dem Arbeitgeber zeigen, dass seine Kündigung Praxis nicht rechtens ist und er sie nicht richtig behandelt hat.

Das Ergebnis, womit die meisten weitaus meisten Verfahren enden, nämlich die Zahlung einer Abfindung aufgrund einer vergleichsweisen Regelung, nennen nur 10 % der befragten Arbeitnehmer als ihr eigentlich ursprüngliches Klageziel.

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